19.11.2024

Nochmal Betrachtungen über das Ich

Wir kommen noch mal zurück zur alten Frage was ist das Ich? Die alten Griechen haben diese Frage genau genommen gar nicht gestellt, vielleicht weil sie den Menschen immer in einer gesellschaftlichen Umgebung sahen und verstanden.
Vielleicht auch weil sie nicht an dem Ast sägen wollten auf dem sie sassen.
Die alten Chinesen haben es entweder nur soziologisch gesehen als Produkt der Väter, mit Ausnahme z.b von Yang Tschu, welcher, neben dem tatsächlichen Leben und Erleben des Ichs, alles andere, Ruhm, Ehre, Reichtum als Unsinn betrachtete. Laotse und der Taoismus es waren ihm das Ich eher etwas unwichtiges, wie auch die Inder, von dem man sich befreien sollte.
Descartes wiederum hat ihm eine grosse, gar alleinige Bedeutung zugewiesen, dass ich ist alles was wir haben, unser Bewusstsein, Denken, Empfinden, inwieweit ist noch einen Bezug zur Umgebung hat, bleibt bei ihm etwas fraglich.
Die Betrachtung des Entstehen eines Ichs hat die Materialisten zur Idee des Determinismus geführt, da der Anfang eines Ich nicht selbstbestimmt ist, wie sollte das folgende dann selbstbestimmt sein?
Der Buddhismus sieht das Ich als immer wieder auftretende leidende Seele, die Freuden die es mitunter auch gibt werden wie bei Schopenhauer als gering geachtet, deshalb man aus dem Kreislauf des Lebens herauszutreten hätte. C. G. Jung hat diesen Gedanken aufgegriffen unter der Annahme von Archetypen eine Art von Grundelementen in der Seele. Der Gedanke der Seelenwanderung taucht fast in allen Religionen auf. Was wandert da?
Anders gefragt , welcher Teil von mir von meinem aktuellen Ich, meiner Seele, bleibt nach dem Tode bestehen? Die Art der Betrachtung der Umgebung ? Die Art des Umgang mit der Umgebung ? Also das , was wir gemeinhin den Charakter , die psychologische Eigenart eines Wesens nennen würden?
Solange wir über Tiere und Menschen nachdenken, in welchen wir uns als Ich im Laufe der unendlichen Zeiten vorfinden könnten mit der jeweils immer ähnlichen Charaktereigenschaft, – denkbar.
Wenn wir diese Seelenwanderung aber auch auf Pflanzen, Steine, Sterne etc. ausdehnen wird es schon schwierig.
Könnte z.b der große Stern Erde auch als “eine” Seele betrachtet werden?
Auf dem wiederum unzählige Seelen wie Parasiten herumlungern? Wo sind die Grenzen einer Seele?
Wenn wir das Entstehen eines Ichs betrachten so spüren wir zu Beginn keinerlei Seele, sondern nur erbärmliche Abhängigkeit von den Eltern, den äußeren Umständen, welchen wir zu Beginn fast völlig tatenlos ausgeliefert sind.
Das heißt eine Seele in einem neu entstehenden Ich verbirgt sich völlig. Auch später kommen keine großartigen weit verzweigten historischen Erinnerungen an die möglichen vorzeitigen Existenzen auf. Weil sonst würde man allzu schnell das Lebens eines persönlichen Ichs in einem begrenzten Zeitraum als abgekartetes Spiel begreifen und möglicherweise dankend ablehnen und abtreten. Im Mittelalter fragte man sich, wird mit der Zeugung eines neuen Menschen auch eine neue Seele erzeugt? Oder ist dieses gezeugte Wesen nur eine Hülle für eine neue Form einer alten unendlichen Seele? Zweiteres ist naheliegend, da bei genauer Betrachtung die Lebenscharaktere und die Physiognomien der Menschen sich in der Menge wiederholen, gleichen. Alles in der unendlichen Zeit und ewigem Formenwandel gleicht und wiederholt sich, damit es all die feinen unzähligen Variationen ausarbeiten kann. Nach welchen Kriterien springt die Seele wieder in einen neuen entstehenden Körper um darin bis zu seiner materiellen Auflösung zu verbleiben? Hat die Seele Kriterien, oder probiert sie einfach nur wahllos aus?
Über die Zufälle mir Gedanken zu machen ist ähnlich wie sich über das Ich Gedanken zu machen.
Wenn der Zufall das dem Ich zugehörige bedeutet, dann wie viel ist dem Ich zugehörig?
Der Zufall ist eine Palette von Möglichkeiten die einem Ich in einer Zeitspanne zur Verfügung stehen.
Geradezu vorbereitet liegen sie vor einem.
Man kann wählen welche Facette des Ichs zum Vorschein kommen soll, kann.
Verschwindet sie gar, taucht sie völlig ein, verbindet sich in absoluter Identität mit einem Ich bis zu dessen Auflösung? Letzteres wäre noch am ehesten anzunehmen. Die Seele könnte somit eine gedankliche Hilfskonstruktion sein, um das immer wieder neue Entstehen von Ichs zu erklären. Die Seele hat keine Erinnerung, da Vergangenheit und Zukunft in ihr austauschbar verschmolzen ist.
Sie manifestiert sich in den unzähligen Ichs, welche über ihre Vergangenheit sinnieren und nach Zukunft haschen um ein paar gegenwärtige Momente zu erleben.

Das Reisen als Bewegung ist eine Multiplikation des Lebens, eine Beschleunigung des ewigen Formenwandels.

Bei den vielen Reisen verschwindet ein wenig das Denken an das eigene Ich, seine Vergangenheit, seine Zukunft,sein Tod.
Reisen ist gewissermaßen immer eine Flucht vor dem Ich.
Manchmal habe ich den Eindruck dieselben Handlungsweisen, Phänomene finden in unterschiedlichen Zeiten statt, dieselben Physiognomien und psychologische Typen tauchen auf und handeln mit unterschiedlichem Material in anderen Zeiten gleichermassen. Archetypen.
Die Charaktere bleiben dieselben, ob sich etwas nun mit Pferden, Kutschen, Autos bewegt, mit Segelschiffen oder Flugzeugen, nur wird alles immer schneller, hektischer und somit flüchtiger, oberflächlicher und fragmentarischer.
Mit der Schnelligkeit geht die Tiefe des Empfindens verloren. Die menschlichen Kontakt werden fade langweilig und schnell abgebrochen.
Sekundenbilder schauen, ein paar Sätze lesen und schon ist alles wieder vergessen, da im Sinneswahrnehmungswahn gleich das nächste Ereignis folgen muss, immer schneller, und am Schluss bleibt nichts mehr hängen und die Leere dehnt sich von innen aus.

Sollte mein, Ich, meine Seele, mein Archetypus den Beginn dieser Existenz je gewählt haben, ohne den Ausgang, das Ende zu kennen, so war es wohl kosmische Neugier die das gestaltet und angetrieben hat, was ich würde, bin, und war.
Ein Experiment von unzähligen, welches die rastlosen Seelen, Archetypen, Ichs durchleben.
Genug wird es nie sein, nirgendwo, zu keiner Zeit, das beweist uns die Natur.
Wenn wir müde werden kommt das Vergessen, und das ganze Spiel fängt von neuem an.
Deshalb lasse ich mich nicht von Angst oder Hektik antreiben, sondern durchziehe dieses im zunehmenden Alter mehr und mehr als Betrachter.
Das Schreiben ist ein Resultat meines Denkens und hindert mich daran verzweifelt zu werden, angesichts der totalen Hoffnungslosigkeit dieser kurzen Lebensspanne, und öffnet das Tor in die unendlichen Welten und Variationen, welche allerdings genauso vergehen.
Der Schlaf und das einhergehende Vergessen sind jedesmal schon so etwas wie eine Reinkarnation. Und genauso wird es der Tod sein.
Welche Existenzform dann kommt, da können wir entweder der Seele, dem archetypischen Ich vertrauen, das es klug einen neuen Anfang wählt, oder es wird gänzlich dem Zufall überlassen sein, dann willkommen im Kasino.
Genau genommen kennen wir unsere Seele, unser Ich, unseren Archetypus überhaupt nicht!
Wir kennen nicht seine Auswahl von Existenzen, Formen.
Wir kommunizieren so gut wie gar nicht mit dieser übergeordneten Psyche, sondern werden von ihr weitgehend gesteuert.
Viele sträuben sich dagegen, ich versuche den Weg des geringsten Widerstandes gegen die Seele, das Überich, den Archetypus, dafür kämpfe ich gegen die Zeitumstände der kurzen Lebensspanne, die meine Seele mein Ich, meinen Archetypus blockieren wollen.
Ich zügele kaum mein Ich sondern versuche für es freie Bahn zu schaffen.
Manchmal leidet mein kleines begrenztes Ich in dieser kurzen Lebensspanne darunter, und manchmal geht es kongruent mit dem Überich, und dann erst hat man die wenigen Momente erreicht, wo man kurzfristig das Gefühl hat im Leben angekommen zu sein.
Es war schon alles da, immer, nur die Abfolge könnte in meiner Hand liegen, wann wir was wiederholen oder variieren.
Jetzt kommt das Alter, die Sexualität entschwindet, aus Mangel an Gelegenheit und Appetitlosigkeit am vorgefundenen. Und daraus resultierend die Verminderung der Libido.
Was bleibt zu tun die letzten Jahre?
Mein Erfahrungen weitergeben? Für wen, für was?
Vielleicht die destruktive Lust spüren am Untergang und Selbstverstümmelung und Selbstvernichtung der Menschheit?
Begleitend mit Alkoholismus und Rausch?
Ich sehe da keine anderen Optionen, ausser von Reisen, denen ich bald körperlich nicht mehr gewachsen bin.
Ruhm, Ehre, Reichtum, … Da scheisse ich drauf im Sinne von Yang Tschu.

Viele Menschen erinnern sich genau an die einzelnen Vorgänge und Erlebnisse in ihrem Leben mit vielen unzähligen Details. Ich wiederum kann mich nur an bedeutende Ereignisse erinnern und selbst da bin ich nicht besonders gut im Detail. Weil für mich das Leben nur ein vorübergehender Vorgang ist der sich mit größter Wahrscheinlichkeit irgendwann auch wiederholen wird.