13.02.2024

Über die Struktur der Zeit

Auch wenn in vielen alten philosophischen und theologischen Theorien die Frage gestellt wird, welchen Bezug der Gedanke eines Gottes zur Zeit hat, ob dieser ihr unterworfen ist, ob erst die Zeit da war und dann die Schöpfung kam, dazu haben die alten Chinesen aber auch frühchristliche Theologen sich den Kopf zerbrochen, so gibt es eigentlich nur im alten Persien die Vorstellung eines Gottes als Zeit, Zurvan.

Aufgrund meiner physikalisch und philosophisch reich belegten Vorstellung eines ewigen, unendlichen Formenwandels aufgrund einer in Vergangenheit und Zukunft nie endenden Zeit, wird der Gedanke eines allmächtigen Gottes obsolet.

Die Verkleinerung Gottes aufgrund physikalisch – philosophischer Erkenntnisse wurde schon im alten Griechenland grob verstanden, der Taoismus hat das schon vor den alten Griechen erkannt, das es sich bei Tao um ein Prinzip des Wandels handelt und es keine irgendwie geartete Macht gibt, welche dieses steuert. Die Vorsokratiker darunter speziell Heraklit haben das, vermutlich aus dem asiatisch persischen Gedankengut übernommen , woraus dann der Gedanke des ewigen Wandels auftaucht, welcher keinen Beginn und kein Ende hat.

Mit dem Christentum wurde physikalisch – philosophisches Denken faktisch verboten, um nicht an den Machtpfeilern der Kirche zu rütteln. Dennoch merkt man deutlich wie auch im Mittelalter sich die Gelehrten, da sie ihr „weiterdenken“ nicht stoppen konnten, sich in sophistischen Traktaten ergossen und sich die Finger wundschrieben, um wider klarerer Erkenntnis das Dasein und die Allmacht eines Gottes zu beweisen, – das allein war schon für jeden aufrichtigen Denker ein deutliches Zeichen das da was nicht stimmt. Kant hat es dann für die Neuzeit, vorsichtig immer noch wegen der Zensur, unternommen verklausoliert sich weitgehend vom Gottesgedanken zu verabschieden.

Mit dem Aufkommen der modernen Naturwissenschaften wurde erst die Macht der Kirche auf naturwissenschaftlichem Gebiet weitgehend vernichtet. Dennoch versuchten Wissenschaftler wie speziell Albert Einstein, neben ihren physikalisch mathematischen Untersuchungen immer noch im Hintergrund die Vorstellung eines Gottes aufrechtzuerhalten, Einsteins prägnantes Zitat in diesem Zusammenhang lautet: „Gott würfelt nicht“.

Mittlerweile sind wir in der modernen Physik und Astrophysik dabei grundsätzlich die Vorstellung eines Gottes aus erkenntnispraktischen Gründen zu demontieren.

Wenn die Theologen noch irgendwie etwas von ihrem Gottesbild retten wollen, so bleibt ihnen eigentlich nur die Argumentation, die Zeit als Widersacher Gottes aufzufassen, sozusagen die Verteufelung der Zeit. Denn Gott ist vielleicht ausserhalb der Zeit stehend gedacht, aber seine Produkte der Schöpfung unterliegen vollständig der Zeit und damit der Vergänglichkeit.

So könnte man die Theorie aufstellen, das ein Gott versucht im Chaos der unendlichen Zeit friedliche, dauerhafte Existenzformen zu schaffen. Also der Versuch ein Paradies in der Zeit zu schaffen. Er wäre somit ein tantalusischer Kämpfer gegen das andauernde Chaos und den unendlichen Wandel in der Zeit. Immer wieder versucht er langfristig stabile Formen zu schaffen, welche nach einer Zeitspanne vergehen. Selbst in dieser Zeitspanne kann es ihm nicht gelingen eine perfekte Welt zu bauen, da er seiner Allmacht durch die fortdauernde Kraft der Zeit enthoben ist. So gestaltet er Formen auf Formen, immer unzufrieden mit dem Resultat und unfähig mit einer alles umgreifenden andauernden Form die Zeit zu besiegen um zu einer vollständigen Einheit aller Dinge und Lebewesen zu gelangen. Er versucht sozusagen ständig das Chaos mit Ordnung zu infiltrieren, und die Zeit macht ihm immer wieder einen Strich durch die Rechnung.

“Es gibt ein Bild von Klee, das Angelus Novus heißt. Ein Engel ist darauf dargestellt, der aussieht, als wäre er im Begriff, sich von etwas zu entfernen, worauf er starrt. Seine Augen sind aufgerissen, sein Mund steht offen und seine Flügel sind ausgespannt. Der Engel der Geschichte muß so aussehen. Er hat das Antlitz der Vergangenheit zugewendet. Wo eine Kette von Begebenheiten vor uns erscheint, da sieht er eine einzige Katastrophe, die unablässig Trümmer auf Trümmer häuft und sie ihm vor die Füße schleudert. Er möchte wohl verweilen, die Toten wecken und das Zerschlagene zusammenfügen. Aber ein Sturm weht vom Paradiese her, der sich in seinen Flügeln verfangen hat und so stark ist, daß der Engel sie nicht mehr schließen kann. Dieser Sturm treibt ihn unaufhaltsam in die Zukunft, der er den Rücken kehrt, während der Trümmerhaufen vor ihm zum Himmel wächst. Das, was wir den Fortschritt nennen, ist dieser Sturm.“

aus: Walter Benjamin 9. These Über den Begriff der Geschichte

Gott wird schliesslich ersetzt durch das Energieerhaltungsgesetz.

Um die Allmacht der Zeit im Kosmos zu lehren, findet sich im eigentlich eher mazdaistischen Bundahischn ein offenbar älteres, eher zurvanistisches Lehrgedicht:

Die Zeit ist mächtiger als die beiden Schöpfungen…/ Die Zeit misst Werk und Gesetz./ Die Zeit ist reicher als die Begüterten…/ Die Zeit weiß mehr als der Wohlunterrichtete…/ Durch die Zeit wird das Haus gestürzt./ Durch das von der Zeit bestimmte Geschick wird der Geschmückte zunichte./ Der Mensch kann sich vor ihr nicht retten…/ nicht, wenn er nach oben fährt,/ nicht, wenn er sich in einem Brunnen vergräbt,/ nicht, wenn er sich ins Innere der Erde begibt.